Hoftötung: Fleisch für höchste Qualitätsansprüche

Text: Selina Müller

Wenn das Tier in seiner gewohnten Umgebung stirbt, schmeckt sein Fleisch am besten. Warum das so ist, wie er seine Rinder auf die Hoftötung vorbereitet und welche Faktoren für die Fleischqualität entscheidend sind, erklärt Landwirt, Metzger und Fleischsommelier Martin Räss aus Appenzell. 

Die Hoftötung ist keine Idee von ein paar Tierschützern, sondern basiert auf handfesten Erkenntnissen. Stress vor der Tötung beeinflusst chemische Prozesse im Fleisch: Wichtige Enzyme können nicht arbeiten, das Fleisch bleibt zäh und minderwertig. Zudem bedeutet Hoftötung auch kurze Transportwege, da das Tier sofort nach der Tötung in den nächsten Schlachtbetrieb gebracht wird. Für Firmen wie Waidwerker, der führenden Ostschweizer Organisation für Hoftötung, steht neben Nachhaltigkeit und Tierwohl vor allem die Fleischqualität im Fokus.

Auf Martin Räss’ Landwirtschaftsbetrieb «Ab Karlis» mit Mutterkuhhaltung und Rindermast wird Hoftötung praktiziert. Seine Zusammenarbeit mit Waidwerker und Larina AG, einem Unternehmen für Fleischveredelung, basiert auf einer gemeinsamen Leidenschaft für höchste Fleischqualität.

Martin Räss, was ist der Hintergrund der Hoftötung? Man kann das beste Tier haben – von der Genetik, Tierhaltung und Fütterung her. Wenn der Transport und die Tötung stressig sind, wird das Fleisch aber “z’hudle” und zäh.

Warum? Für die Stressverarbeitung verbraucht das Tier viel Energie. Es hat dann keine Zuckerreserven mehr in den Muskeln. Diese Zuckerreserven sollten nach der Tötung zu Milchsäure abgebaut werden, wodurch der pH-Wert von etwa 7 auf 5,5 absinkt. Bei diesem Wert beginnen wichtige Enzyme zu arbeiten: Sie spalten Bindegewebe und Fleischfasern auf, machen das Fleisch zart und haltbar und erzeugen Aromastoffe. Bleibt der pH-Wert zu hoch, kommen diese Prozesse nicht in Gang, und das Fleisch bleibt zäh, leicht verderblich und fade.

Man merkt also den Geschmacksunterschied? Ja, den merkt man riesig. Auch äusserlich: Das Fleisch eines gestressten Tieres ist fest und klebrig, sogenanntes dfd-Fleisch (dark, firm, dry – dunkel, fest, trocken). Es wird als mangelhaft eingestuft und nur für minderwertige Produkte verwendet.

Was ist Dry Aged Beef? Dry Aged Beef, also trocken gereiftes Rindfleisch, wird unter bestimmten Bedingungen gereift – wie zu Grossvaters Zeiten. Ganze Rinderrücken werden am Knochen aufgehängt und reifen offen. Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Luftzirkulation sind dabei entscheidend. Das Ergebnis ist ein nussiger, buttriger Geschmack, der einzigartig ist.

Warum macht man nicht nur Dry Aged Beef? Der Schnittverlust liegt bei bis zu 50%, weil die dunkle Aussenschicht entfernt werden muss. Doch für die Qualität lohnt es sich. Wichtig ist aber, dass das Tier stressfrei getötet wurde – nur dann gelingt Dry Aged Beef.

Bei Ihnen geschieht die Tötung immer im Stall? Ja. Selbst in modernen Schlachtanlagen wird zwar auf Stressreduktion geachtet, aber im Stall in der gewohnten Umgebung ist es aus meiner Sicht am stressfreiesten.

Was tragen Sie dazu bei, dass das Tier am Tag der Tötung entspannt ist? Nichts Spezielles. Wenn ich am Morgen in den Stall komme, muhen alle. Das Tier, das für die Schlachtung vorgesehen ist, bekommt wie alle anderen sein Futter. Ich locke es nur in den Tagen davor mit Salz an den vordersten Futterplatz. Am Stichtag steht es dann dort, wo die Tötung am einfachsten ablaufen kann.

Welche Rolle spielt das Tierwohl? Ich bin ehrlich: Es stört mich nicht, wenn Tiere in den Schlachthof gehen. Aber für Rinder, die wirklich top Fleisch liefern sollen, ist Hoftötung die bessere Wahl.

Wem würden Sie die Hoftötung empfehlen? Landwirten mit Qualitätsrindern, die Spitzenfleisch liefern wollen. Für Hobbybauern lohnt es sich weniger, allein wegen der Bewilligungskosten von etwa 2500 Franken.

Wo kann man das Fleisch von «Ab Karlis» geniessen? Zum Beispiel im GILDE-Restaurant Rose in Rinkenbach und im Landgasthaus Rössli in Hundwil.

Wie bereitet man das perfekte Steak zu? Das Fleisch erst salzen und mit etwas Olivenöl einreiben, dann zwei Stunden ziehen lassen. Gut abtrocknen, bevor es in die heisse Pfanne kommt – so entsteht eine schöne Kruste. Danach bei 65 Grad Kerntemperatur im Backofen ruhen lassen. Das Ergebnis ist perfekt.

Was möchten Sie den Lesern noch mitgeben? Fleisch ist ein hochwertiges Genussmittel und verdient mehr Wertschätzung. Landwirte und Metzger leisten harte Arbeit, die oft unterschätzt wird. Ich wünsche mir, dass Konsumenten wieder genauer hinsehen, woher das Fleisch kommt und wie es produziert wurde. Gutes Fleisch hat seinen Preis – und es lohnt sich, in Qualität zu investieren.

Landwirtschaftsbetrieb:«Ab Karlis», Appenzell
Betriebsleiterpaar: Martin und Lisi Räss
Tiere: 10 Mutterkühe mit Kälbern und 30 Mastrinder
Ackerbau: Rollgerste, Haferflöckli, Dinkel, Emmer

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