Nachhaltiger geniessen
mit Swisstainable
Am regio-tag 2023 war das Leitthema «nachhaltiger geniessen». Das Impulsreferat hielt Romy Bacher. Die Projektleiterin Nachhaltigkeit des Schweizer Tourismusverbands stellte Swisstainable vor. Swisstainable ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich das Marktumfeld und die Anforderungen an kulinarische und touristische Dienstleister verändern. Romy Bacher ist Projektverantwortliche von Swisstainable und erzählt im Interview, wofür das Label steht und wie Betriebe sich zertifizieren lassen können.
Romy Bacher, die Schweiz erreicht Spitzenplätze in zahllosen Rankings, die Nachhaltigkeitskriterien heranziehen. Welche Stärken bringen der Schweiz die Spitzenplatzierungen ein?
Nachhaltigkeit prägt die Schweiz schon seit Jahrzehnten und wir können mit Stolz auf viele Bereiche blicken, in denen wir bereits erfolgreich unterwegs sind: Sei es die intensive Nutzung der Wasserkraft, das hohe Umweltbewusstsein der Bevölkerung oder der frühe und flächendeckende Ausbau des öffentlichen Verkehrs. So hat die Schweiz beispielsweise beim Travel & Tourism Competitiveness Report im Bereich «Environmental Sustainability» den ersten Platz erreicht. Nachhaltigkeit assoziieren Gäste häufig mit öffentlichem Verkehr, Natur, Umweltfreundlichkeit, Wandern und regionalen Produkten. Diese Themen entsprechen in hohem Mass unseren touristischen Stärken.
Welche davon betrachten Sie als aussagekräftig und erfolgversprechend für die touristische Positionierung?
Die ursprüngliche Natur der Schweiz ist sicherlich unser wichtigstes Asset und eines der Hauptreisemotive für viele Gäste. Schweiz Tourismus stellt diese Botschaft ins Zentrum ihrer Vermarktung mit dem Claim „Our Nature energises you“. Gleichzeitig hat der Tourismus deutliche Auswirkungen auf diese Ressourcen. Die positiven wirtschaftlichen Effekte des Tourismus und der wertvolle interkulturelle Austausch sollen beibehalten und weiterentwickelt werden, während gleichzeitig ein respektvoller Umgang mit unseren Ressourcen etabliert werden muss. Das Ziel soll sein, unser Tourismusland Schweiz ganzheitlich als nachhaltige Destination zu positionieren.
Wenn Touristen formulieren, sie wollen nachhaltiger reisen, was meinen sie damit vor allem?
Wir sehen zurzeit, dass auch die Gäste primär aus der ökologischen Perspektive heraus denken, wenn sie von Nachhaltigkeit sprechen. Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie von Booking.com, in der insgesamt 30‘000 Touristinnen und Touristen weltweit zu ihrem nachhaltigen Reiseverhalten befragt wurden. Gemäss der Studie machen sich globale Reisende primär Gedanken darüber, wie weit sie reisen, wie sie dorthin kommen und wie sie sich dort fortbewegen. 51 Prozent erachten einen geringen bis gar keinen CO2-Ausstoss durch ihre Verkehrsmittelwahl als einen wichtigen Teil des nachhaltigen Reisens. Mehr und mehr fliessen auch soziale und wirtschaftliche Kriterien in die Betrachtung mit ein beispielsweise welche Arbeitsbedingungen vor Ort herrschen oder wie lokale Brauchtümer und Kulturen gepflegt werden.
Wer sind die Vorbilder und die grössten Konkurrenten der Schweiz in Sachen nachhaltiger Tourismus?
Wir sprechen ungerne von Vorbildern oder Konkurrenz, da die nachhaltige Entwicklung auf betrieblicher, regionaler sowie nationaler Ebene individuell stattfindet und dadurch eine Vergleichbarkeit schwierig ist. Aus nationaler Perspektive heraus sind sicher die skandinavischen Länder wie Norwegen und Schweden führend, aber auch Slowenien beispielsweise setzt stark auf den nachhaltigen Tourismus. Wie wir mit dem Nachhaltigkeitsprogramm Swisstainable arbeiten, haben auch diese Länder eigene Programme und Initiativen, mit denen sie die Nachhaltigkeit vorantreiben wollen.
Wo liegen die touristisch wirksamen Stärken der Schweiz?
Das Thema Nachhaltigkeit ist definitiv im Schweizer Tourismus angekommen. Die Zusammenarbeit mit der Branche im Rahmen des Nachhaltigkeitsprogramms Swisstainable zeigt, dass Nachhaltigkeit in vielen touristischen Betrieben bereits aktiv umgesetzt wird. Andere Unternehmen stehen hingegen noch ganz am Anfang. Geografische Gegensätze zwischen den touristischen Betrieben sind ebenfalls spürbar – ein Seminarhotel in der Stadt beschäftigt sich oft mit anderen Nachhaltigkeitsthemen als das nur zu Fuss erreichbare Bergrestaurant. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben sowie Regionen sind gross und zeigen gleichzeitig, wie individuell das Thema Nachhaltigkeit auf betrieblicher Ebene umgesetzt werden muss. Es gibt keine pauschale Lösung für den gesamten Tourismussektor. Vielerorts gilt es tatsächlich, in einem ersten Schritt für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und aufzuzeigen, was Nachhaltigkeit insbesondere in der praktischen Umsetzung bedeutet.
Welches Unterthema verfolgt Schweiz Tourismus aktuell besonders intensiv?
Wenn es um Nachhaltigkeit geht, steht das Thema Klimaneutralität zurzeit stark im Fokus. Auch wir sind der Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit CO2-Emissionen und gleichzeitig Reduktions- und Kompensationsmöglichkeiten eine wichtige Rolle spielen, um unser wichtigstes Asset im Tourismus – die Schweizer Natur und Landschaft – zu schützen. Von zentraler Bedeutung ist, dass wir da ansetzen, wo wir die grössten Hebelwirkungen erzielen können. Gleichzeitig möchten wir alle Akteurinnen und Akteure innerhalb des Tourismussektors sensibilisieren und aufzeigen, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit über die ökologische Perspektive hinaus geht und auch soziale sowie wirtschaftliche Themen wie Inklusion, Arbeitsbedingungen sowie Innovationskraft von Bedeutung sind.
Wer genau entscheidet darüber, wer den Nachhaltigkeitsnachweis Swisstainable erhält?
Ein Team der Hochschule Luzern hat das Swisstainable gemeinsam mit Schweiz Tourismus sowie dem restlichen Tourismussektor entwickelt und steht uns immer noch eng zur Seite, wenn es beispielsweise darum geht, neue Nachhaltigkeitsnachweise zu evaluieren und im Rahmen des Programms anzuerkennen.
Gehört Regionalität zu den Nachhaltigkeitskriterien von Swisstainable?
Als Meta-Programm hat Swisstainable kein eigenes Zertifizierungssystem, sondern wir bewerten die Wirksamkeit von bereits etablierten Labeln und orientieren uns daran. Inzwischen finden rund 90 Nachweise innerhalb des Programms Platz. Viele dieser Nachweise sind regionale oder nationale Initiativen, Zertifikate sowie Programme aus der Schweiz. In unserem Manual sind alle Nachweise im Detail aufgeführt, die stark im Bereich Regionalität arbeiten. Selbstverständlich zählt dabei auch die Culinarium-Zertifizierung dazu.
Welche Kriterien müssen Labelanwärterinnen und -anwärter erfüllen?
Je nach Level müssen Nachhaltigkeitsnachweise andere Anforderungen erfüllen, damit sie anerkannt werden. Grundsätzlich werden Nachhaltigkeitsnachweise anerkannt, wenn diese in einem oder mehreren Nachhaltigkeitsaspekten zu deutlichen Verbesserungen führen, welche über die gesetzlich geforderten Bestimmungen hinaus gehen.
Was sind das für Level?
Zur Differenzierung der Anerkennung werden insbesondere folgende drei Aspekte berücksichtigt: 1. Wie breit sind die Dimensionen der Nachhaltigkeit abgedeckt? 2. Wie anspruchsvoll sind die inhaltlichen Anforderungen? 3. Welche Anforderungen gibt es bzgl. Nachhaltigkeitsmanagement und wie wird der Nachweis überprüft?
Können Sie dazu konkrete Beispiele nennen?
Um möglichst viele Betriebe zur Teilnahme zu motivieren, braucht es für das Level 1 keine Zertifizierung. Sie oder Er muss ein Bekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit unterschreiben, einen Check durchführen lassen und sich zu Massnahmen verpflichten. Aktuell nehmen mehr als 1500 Betriebe am Programm teil. Das Culinarium-Zertifikat berechtigt zum Swisstainable-Level 2. Dem restriktivsten Level 3 gehören momentan 165 Betriebe an. Das sind beispielsweise Hotels, die das Label «Responsible Hotels of Switzerland» tragen, welches strenge ökologische, energetische und soziale Auflagen macht.